sissi rasche spricht über Frauenschmerz

ThermaCare im Dialog über Frauenschmerz: mit der Hebamme Sissi Rasche haben wir darüber gesprochen, warum Frauenschmerzen in der Gesellschaft tabuisiert werden und warum darunter besonders (werdende) Mütter leiden.

 

Schmerz zu verbalisieren ist etwas ganz Natürliches. Aber aufgrund von Erziehung, gesellschaftlichen Grenzen und falschen Erwartungen ihrer Umgebung lernen Frauen zu schweigen, wenn sie leiden. Bereits in der Kindheit werden kleine Mädchen darauf trainiert, ihren Schmerz still zu ertragen. Was bereits in Kindheitstagen beginnt, setzt sich in der Jugend und im Erwachsenenalter fort. Mit Hebamme Sissi Rasche haben wir darüber gesprochen, warum Frauenschmerz in der Gesellschaft tabuisiert wird und warum darunter besonders (werdende) Mütter leiden.

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Sissi, womit, denkst du, hängt es zusammen, dass Frauenschmerz – etwa in Form von Menstruationsschmerz – in der Gesellschaft tabuisiert wird?

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Der Frauenschmerz, etwa in Form von Menstruationsschmerz, wird ja schon immer versteckt, weil es „etwas Unangenehmes“ ist und keiner hören will, dass eine Frau blutet. Dadurch entstehen auch große Hemmungen, darüber zu reden, wenn man Periodenschmerzen hat. Viele Frauen leiden darunter. Es wird allerdings immer so abgestempelt, „dass man da halt durch“ müsse.

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Wann internalisieren Frauen diese Unterdrückung des eigenen Schmerzes?

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Ich glaube, das fängt bereits mit der Pubertät an, wenn Mädchen ihre erste Regelblutung bekommen. Ich habe mich daran zurückerinnert, dass der Schmerz immer abgestuft wurde, von wegen „Naja die Mädchen haben ihre Tage und da müssen sie sich ausruhen.“ Oder bereits im Kindesalter, wenn ein Kind, egal ob männlich oder weiblich, hinfällt, und man sagt „Ist ja gleich wieder gut“. Wir gehen wenig auf den Schmerz ein und nehmen ihm den Ernst, auch bei Kindern.

Dabei ist es total wichtig, diese Schmerzen ernst zu nehmen. Wenn du das nicht tust, nimmst du dein Kind nicht ernst. Ich glaube, dass das noch ein bisschen auf die Nachkriegszeit und auf die damalige Form der Erziehung zurückzuführen ist. Davon haben wir uns inzwischen ja – Gott sei Dank – ganz weit wegbewegt. Genauso von der diskriminierenden Aussage „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ und Sätzen wie „Alles nicht so schlimm“, also großes Ablenkungsmanöver. Wir sind heute viel sensibilisierter dafür, dass wir auf die individuellen Schmerzen eingehen. Und das ist auch wichtig. Gerade weil wir so unterschiedlich sind. Wenn du drei Kinder hast, dann reagiert jedes Kind ganz anders auf Schmerzen. Und ich finde nichts schlimmer, als wenn ich bei meiner Tochter manchmal beobachte, dass sie ihre Schmerzen stark zurückhält, weil sie vor anderen nicht weinen will.

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Und wie könnte man Mädchen und jungen Frauen wieder beibringen, ihrem eigenen Schmerz Ausdruck zu verleihen?

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Ich glaube, es ist wichtig, dies schon früh im Kindergarten oder in der Schule zu thematisieren. Wenn sich ein Kind wehtut, darf es – egal ob Junge oder Mädchen – auch weinen. Man merkt immer wieder, dass sie das wirklich sehr zurückhalten.

Wir haben die Aufgabe als Eltern, als Erwachsene, als Erziehungspersonen oder als Kindergärtner:innen, die Kinder dafür zu sensibilisieren, dass sowohl Jungs als auch Mädchen weinen und Schwächen zugestehen dürfen. Ich finde, das ist ein sehr wichtiges Thema.

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Denkst Du, dieses Thema bekommt genug Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit?

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Ich glaube, da ist noch viel zu tun. Deshalb finde ich die Kampagne [von ThermaCare] auch so toll. Damit man darauf aufmerksam macht. Und schon junge Frauen dafür sensibilisiert. Sich dafür einsetzt, dass man es auch wahrnimmt und hinsieht, wenn eine Periode sehr stark ist, und dann auch nach Ursachen dafür schaut. In diesem Zusammenhang ist ja auch das Thema Endometriose in den letzten Jahren bekannter geworden.

Darunter leiden schon junge Frauen, deren Schmerzen oft weggestempelt und nicht ernst genommen wurden, weil man so wenig über die Krankheit wusste. Deshalb ist das Thema Schmerz so wichtig. Damit man darauf aufmerksam macht und vor allen Dingen auch die Gesellschaft sensibilisiert.

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Du hast beschrieben, wie junge Mädchen bereits früh dazu erzogen werden, ihre Schmerzen still zu ertragen. Doch warum folgen sie auch als erwachsene Frauen noch diesem Mantra?

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Ich glaube es hat damit zu tun, dass sie Angst haben, als „nicht stark genug“ eingestuft zu werden. In den letzten Jahren hat sich die Debatte um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt schon stark entwickelt. Schmerzen zeigen – gerade bei Menstruationsschmerzen – wird jedoch noch immer als „Frauenthema“ behandelt.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass der Einfluss des Zyklus mehr thematisiert wird und nicht länger ein Tabuthema ist. Und dass man als Frau, die gerade einen neuen Job angefangen hat, keine Angst haben muss, krank zu sein oder wegen Periodenschmerzen zu fehlen. Weil man sonst das Gefühl hat, man würde nicht genug leisten. Ich glaube, es hat ganz viel mit Leistung zu tun. Schwäche zeigen ist nicht erwünscht und man hat die Angst, schnell ersetzt zu werden.

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Wie kann man Frauen und Mädchen zeigen, dass es völlig in Ordnung ist, Schmerzen zu haben und diese auch nach außen zu artikulieren?

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Ernst nehmen, zuhören und fragen „Was ist passiert? Wie können wir dir helfen?“. Gerade bei Kindern „Was ist passiert? Was tut dir weh? Was denkst du, was würde dir helfen?“ und auch Hilfe anbieten, zum Beispiel „Wollen wir kühlen?“ und sich das dann zusammen angucken. Auch Sicherheit und Wärme geben, das sind ganz wichtige Punkte. Genauso auch beruhigen.

Genauso ist es auch mit verbalen Schmerzen. Wenn jemand beleidigt wurde, dann sollte man das auch mit Kindern schon thematisieren – natürlich immer dem Alter entsprechend. Und auch Streit schlichten, indem man fragt „Für mich hat sich das so angefühlt, wie siehst du das?“. Man muss Kinder dafür sensibilisieren, dass sie selbst äußern können, wie sich dies und jenes für sie anfühlt.

Schmerz ist eine individuelle Sache, auf die jede Frau unterschiedlich reagiert und die man ernst nehmen sollte. Daher ist es wichtig, dass wir die Gesellschaft dafür sensibilisieren. Natürlich hat nicht jeder PMS, aber viele Frauen sind eben davon betroffen und versuchen, es mit Schmerzmitteln zu unterdrücken. Sie unterdrücken es und machen trotzdem ganz normal weiter. Es ist wichtig, dass man Rücksicht nimmt, es ernst nimmt und es besonders nicht als „Mädchenkrankheit“ abtut.

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"Schmerz ist eine individuelle Sache, auf die jede Frau unterschiedlich reagiert und die man ernst nehmen sollte."

Sissi Rasche

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In deinem Beruf wirst du besonders mit den Schmerzen von werdenden Müttern konfrontiert. Wie unterstützt du sie bei ihrer Begegnung mit dem Schmerz?

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Ich habe mich dafür entschieden, in der engen Form der 1:1-Betreuung zu arbeiten. Das heißt, dass meine Frauen bei der Geburt nicht alleine sind. Das ist für mich schon die beste Schmerztherapie, denn wenn man alleine ist und Angst bekommt, dann verspannt man sich und es können zusätzliche Schmerzen entstehen. Wenn eine Frau gut betreut ist, also eine Hebamme für eine Geburt zur Verfügung steht, kann sie in diesem Prozess begleitet werden. Bei einer Geburt passiert viel im Kopf und sie fordert sehr viel Konzentration. Also ist es gut, wenn man jemanden dabeihat, der einen darüber aufklärt, was jetzt passiert und dass das ganz normal ist.

So eine Geburt ist ja eine Grenzerfahrung. Man hockt stundenlang in irgendeinem Kreißsaal und es kommen gewaltige Kräfte, die über einen rollen. Wenn man dann nicht weiß, was überhaupt passiert, dann verspannt man sich und es können zusätzliche Schmerzen entstehen. Durch Aufklärung, Massage und Wärme kann man Frauen durch diesen Prozess begleiten. Das heißt aber nicht, dass es nicht sinnvoll ist, manchmal auch Schmerzmittel einzusetzen. Man ist keine „Versagerin“, weil man eine PDA braucht. Ich glaube, das ist eine individuelle Entscheidung. Man kann das nicht vorher üben, weil man nicht weiß, was auf einen zukommt. Auch bei meinem vierten Kind weiß ich das jetzt nicht, weil jede Geburt anders ist. Und ich denke, der Schlüssel liegt darin, dass jemand da ist und einen aufklärt.

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Wieso leiden insbesondere Mütter häufig unter Rückenschmerzen und/oder Verspannungen in der Nacken- und Schultermuskulatur?

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Eine Geburt ist eine körperliche Höchstleistung. Daher ist das Wochenbett so wichtig, in dem man sich regenerieren soll. Auch Nachwehen sind ein Thema. Sie sind wichtig für die Gebärmutterrückbildung und die Blutstillung. Das alles kann Schmerzen verursachen, da sich die Gebärmutter wieder zurückbildet.

Des Weiteren ist es so, dass man als Mutter leicht in eine schlechte Körperhaltung kommt, wenn man ein Baby hat, das viel Nähe braucht und die ganze Zeit an einem dranhängt. Man hält die Schultern hoch und ist angespannt. Wenn man Stillen lernt und mit den Handgriffen noch etwas überfordert ist, achtet man eher darauf, dass das Kind gut liegt und nicht auf die eigene Haltung. Das heißt, Frauen sitzen oft falsch und haben nicht genügend Stütze.

Deshalb sollte man speziell beim Stillen darauf achten, dass man erst sich selbst in eine gute Position bringt und dann das Kind anlegt. Man sollte bequem und entspannt sitzen. Für eine gute Haltung kann man bereits morgens schon mit einer Dehnung starten. Aber durch diese „Mutterhaltung“, die man automatisch annimmt, verkürzen sich viele Muskeln und es kommt auch zu Verspannungen. Und weil man eben 24 Stunden am Tag mit einem Baby beschäftigt ist, ist eine Dusche häufig das Einzige, was man gerade noch schafft. Es bleibt wenig Zeit für Regeneration.

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Du hast eben bereits Dehnungsübungen und eine gute Haltung erwähnt – was kann man noch tun, um als Mutter den Schmerzen entgegenzuwirken?

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Massagen im Wochenbett sind super. Wie bereits erwähnt, ist auch die Aufrichtung des Körpers wichtig. Vielen Frauen hilft auch ein Bauchgurt nach der Geburt, weil die Körpermitte natürlich total geschwächt ist. Das heißt nicht, dass dieser Bauchgurt nach der Geburt den Bauch wegmacht, aber er gibt eben mehr Stabilität und damit eine aufrechtere Haltung, die Frauen gerade am Anfang sehr hilft.

Und natürlich ist Wärme toll. Dass man guckt, dass man die Muskeln wieder lockert und mehr auf sie achtet. Manchmal ist ja bereits eine warme Dusche sehr angenehm. Besonders wichtig ist aber wirklich das Aufrichten – dass man sich bewusst macht, den Körper aufzurichten und seinen Schwerpunkt wieder in die Mitte bringt.

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Wie kann sich speziell Wärmetherapie positiv auf die Schmerzen von Frauen auswirken?

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Den meisten tut Wärme gut, wenn sie Schmerzen haben. Das fängt schon damit an, dass eine warme, angenehme Badewanne für mich die natürliche PDA ist. Auch Traubenkernkissen oder Kirschkernkissen sind super. Und gerade bei Schulter- und Nackenschmerzen im Wochenbett sind natürlich auch Wärmeauflagen super, weil sie einfach länger halten*. So ein Kissen ist eben schnell kalt. Es tut gut, eine punktuelle Wärme zu haben und zu merken, wie sich Muskeln dadurch entspannen und man entkrampft. Wärme ist ein ganz großes Thema und super.

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Nutzt du selbst Wärmetherapie während deiner Schwangerschaft?**

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Ich bin ein großer Fan der Wärmetherapie. In allen Variationen: ob Wärmeflasche, ob warme Dusche, ob Wärmeauflagen – auch bei meinen Kindern. Ich finde, Wärme hilft immer. Meiner Meinung nach ist Wärme und getragen zu werden, im Sinne von gehalten zu werden, eine ganz große Hilfe bei Schmerz. Es ist ja manchmal schon der warme Tee, der hilft – auch für den Magen.

Gerade Kopfschmerzen kommen ja auch oft vom Hals- und Nackenbereich. Da hilft Wärme auch super. Wenn man über Stunden diese Wärme hat, merkt man, wie sich alles wieder entspannt. Und es gibt ja auch Frauen, die unter der Geburt bloß nicht diese Wärme loslassen wollen und denen es sehr wichtig ist, dass ihnen jemand die Hand hält.

Anmerkung:
Das Gespräch mit Sissi Rasche wurde mit der Kommunikationsagentur Burson Cohn & Wolfe imAuftrag von ThermaCare geführt.

*Bei Verwendung während des Stillens sollte darauf geachtet werde, dass die Haut des Säuglings nicht mit den ThermaCare-Auflagen oder -Umschlägen in Berührung kommt.

**Eine Anwendung von ThermaCare während der Schwangerschaft sollte vorab mit dem Arzt/der Ärztin besprochen werden.