Anna Wilken im Gespräch über Endometriose

Im Interview erzählt Anna Wilken, Model und Influencerin, wie sie mit der Erkrankung Endometriose ihren Alltag gestaltet und warum das Thema oft zu wenig ernst genommen wird.

 

 

Endometriose ist eine häufige, oft schmerzhafte chronische Erkrankung, die bei Menstruierenden vorkommen kann. Bei Endometriose kommt gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle vor, z. B. außen auf der Gebärmutter oder den Eierstöcken oder sich bis auf die Scheidenwand und den Darm ausbreitend. Wie die normale Gebärmutterschleimhaut verändert sich auch das Endometriosegewebe während des Menstruationszyklus und kann dadurch Gewebeblutungen, Narbenbildung und starke Schmerzen auslösen. Anna Adamyan, ehemalig Wilken leidet an dieser Erkrankung, die bei ihr unter anderem eine Schwangerschaft erschwert.

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Anna, wie bist du zu der Diagnose Endometriose gekommen?

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Als ich 13 Jahre alt war, war ich aufgrund von sehr starken Perioden- und Unterleibsschmerzen sowie einer starken Blutung das erste Mal bei einer Gynäkologin. Da die Schmerzen schon zu diesem Zeitpunkt außergewöhnlich stark waren, sprach sie damals schon das Thema Endometriose an. Jedoch wurde ich mit den Worten „Sie sind dafür aber eigentlich noch viel zu jung“ wieder aus der Praxis entlassen. Ich habe die Pille genommen, einen Schmerzkalender geführt und bin regelmäßig zu Untersuchungen gegangen, aber es blieb bei dem Verdacht. Ehrlich gesagt bin ich von meiner Familie auch nicht gerade ernst genommen worden und stand in meinen jungen Jahren mit den Schmerzen alleine da. Mit 18 Jahren habe ich dann in Berlin gelebt – wegen des Modelns – und bin da auf die Charité mit dem Endometriosezentrum gestoßen. Ich bekam die Diagnose Endometriose und wurde dort mit gerade 19 Jahren operiert. Sechs Jahre hat die Diagnose am Ende gedauert und trotz Verdacht stand ich lange alleine da.

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Kannst du näher auf die Operation eingehen?

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Die Diagnose einer Endometriose findet mithilfe einer Bauchspiegelung statt. Bei dieser werden die Herde, Verwachsungen etc. entfernt und pathologisch gesichert. Durch diese Entfernung kann nicht nur die Diagnose gestellt werden, sondern auch bei einigen Betroffenen zu einer Schmerzlinderung führen. Das war bei mir leider nie der Fall. Erst bei der dritten größeren Bauchspiegelung ging es mir zeitweise etwas besser, das hat aber nicht sehr lange angehalten.

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Hattest du das Gefühl, dass der/die Gynäkolog:in deine Beschwerden auf Anhieb ernstnimmt?

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Meine damalige Gynäkologin hat mich schon ernst genommen, aber gleichzeitig fehlte ihr, glaube ich, auch selber die Erfahrung mit der Endometriose – vor allem bei jungen Frauen. Ich selbst war jedoch auch immer sehr hinterher und habe mich oft blicken lassen, bin immer wieder aufgrund von Schmerzen in die Praxis gegangen.

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Wie äußert sich Endometriose? Welche Symptome hast du?

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Die Endometriose äußert sich sehr unterschiedlich und individuell. Genau das ist auch häufig ein Problem, denn man kann es nicht pauschalisieren: Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder gynäkologischen Untersuchungen sowie zyklusabhängige und -unabhängige Schmerzen können ein Symptom sein. Genauso wie Unterleibs-, Rücken- und Bauchschmerzen, Übelkeit, Kopfweh, depressive Verstimmungen, Unverträglichkeiten, Blasen- und Darmprobleme … die Liste ist lang und es gibt noch weitere Symptome. Oft können die Beschwerden auch so stark sein, dass sie zur Ohnmacht führen und/oder mit starken Durchfällen verbunden sind. Man ist ausgeknockt von den Schmerzen. Bei mir treffen nahezu alle Symptome zu und ich habe mit einigen davon sehr zu kämpfen. Die Schmerzen an meiner Gebärmutter machen es mir besonders schwer, denn sie strahlen ins Becken und oft ins rechte Bein – so intensiv, dass ich da sehr häufig ein Taubheitsgefühl habe. Es ist eben leider so viel mehr als nur Bauchweh und kann im Alltag eine große Belastung darstellen.

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Wie gestaltet sich dein Alltag mit den Schmerzen?

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Mein Alltag ist stets unterschiedlich. Ich achte immer auf meinen Körper und mache alles so, wie ich es tun kann. Jedoch möchte ich mich nicht von den Schmerzen bestimmen lassen. Manchmal gibt es natürlich keine andere Wahl: wenn die Schmerzen so stark sind, dass ich nicht mal sitzen kann – dann liege ich, ganz klar. Mit der Endometriose kann immer alles anders kommen, als man denkt, denn bei mir kommen die Schmerzschübe oft auch unerwartet aus dem Nichts. Für mich war genau dieser Punkt sehr lange mit vielen Fragezeichen verbunden. Nach der Diagnose musste ich meinen Körper erst einmal neu verstehen lernen und vor allem lernen, mit der Diagnose einer chronischen Erkrankung umzugehen. Dies benötigt Zeit und die sollte sich jede Betroffene nehmen – und ihrem Körper geben.

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"Mit der Endometriose kann immer alles anders kommen, als man denkt. Nach der Diagnose musste ich meinen Körper erst einmal neu verstehen lernen."

Anna Wilken

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Was hilft dir?

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Mir hilft mein gesamtes Umfeld. Meine Familie, mein Mann, meine Freunde und vor allem auch unser Hund Oskar. Er gibt mir so viel Halt und Liebe! Dies tut mir sehr gut im Umgang mit den Schmerzen. Was die Schmerzen generell angeht, versuche ich verschiedene Methoden der Linderung. Hierbei greife ich zur komplementären Medizin, aber leider auch oft zu Schmerzmitteln. Häufig tun mir sanftes Yoga, viel Wärme und auch leichte Spaziergänge sehr gut. Wenn ich reise, habe ich im Übrigen immer die ThermaCare Wärmeauflagen für den Unterleib dabei. Sie sind mein ständiger Begleiter, denn ich reagiere vor allem auf Kälte mit noch extremeren Schmerzen.

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Welche Tipps hast du für andere Betroffene?

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Ich bin ehrlich gesagt keine richtige Tippgeberin, denn uns allen tut so viel Unterschiedliches gut und wir alle haben komplett andere Symptome. Dennoch ist mein größter Tipp: Seid offen! Sprecht über eure Endometriose, sprecht über eure Schmerzen und lasst euch von nichts und niemandem unterkriegen! Steht für euch und euren Körper ein! Wir alle sind toll so wie wir sind – mit und ohne Endometriose. Die Endometriose wird jede Einzelne von uns prägen, macht uns aber gleichzeitig noch stärker.

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Wieso ist es so wichtig, seine Schmerzen zu artikulieren, zu behandeln und ernst zu nehmen?

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Schon alleine, weil jede Frau für sich und ihren Körper einstehen sollte. Keine Frau sollte Schmerzen erleiden müssen; wenn sie dabei auch noch nicht ernst genommen wird – absolut unschön. Deshalb möchte ich Frauen auch Mut machen und sie motivieren, für sich einzustehen, nicht locker zu lassen und ihre Schmerzen auch selbst ernst zu nehmen.

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Was muss sich deiner Meinung nach ändern, damit Frauenschmerz kein Thema mehr ist, über das nicht gesprochen wird?

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Es muss definitiv mehr darüber gesprochen werden! Ganz gleich wo! In den sozialen Medien, aber auch beim Familienessen oder in Gesprächen mit Freund:innen. Grundsätzlich sollte noch mehr Aufklärung betrieben werden, auch auf Seiten der Ärzt:innen und möglicherweise auch Krankenkassen sowie Firmen, die Menstruationsprodukte verkaufen. Auf allen Seiten sollte es kein Tabuthema mehr sein.

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Welche Erwartungen hast du an die Gesellschaft und die Politik zum Thema Endometriose?

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Definitiv sollten mehr Behandlungen für die Endometriose-Betroffenen finanziert werden. Die Krankheit ist chronisch und die Betroffenen werden mit allem sehr allein gelassen. Gerade komplementäre Medizin kann sehr teuer werden. Massagen, Osteopathie und Co. ebenfalls. Die Betroffenen haben es sich nicht ausgesucht, diese Beschwerden zu haben, und sollten hierbei unterstützt werden. Die Gesellschaft kann jedoch auch etwas ändern: Lockerer werden! Offener für Themen, die nicht oberflächlich sind. Und manchmal hilft es auch, über den Tellerrand hinauszuschauen.